„Ich habe übrigens Hundebabys!“ – und zu dieser Nachricht kommt gleich ein Schwung von Fotos mit Welpen, die gerade mal eine Woche alt sind. Lange hatte ich nichts mehr von meiner Schulfreundin Claudia gehört, und dann das. Sie war einen Moment unaufmerksam, und ihre läufige Schäferhündin hatte sich mit dem Labrador-Rüden ihres Ehemannes in den Garten getrollt. Zwei Monate später kamen fünf bunt-farbige Fellnasen auf die Welt. Und zehn Wochen später sind wir auf den Hund gekommen. Ginny – so heißt unsere schwarze Fellnase begleitet uns jetzt bereits ein Jahr! Und ich kann verraten, es waren turbulente, erste drei Monate mit unserem Schäferhund-Labrador-Mix (väterlicherseits ist auch noch ein Berner Sennenhund mit dabei). 

Der Traum von einem eigenen Hund

Der Traum, mal wieder einen Hund zu haben, war bei mir viele Jahre in den Hintergrund gerückt. Zu wenig Zeit, zu viel unterwegs, zu viel Verantwortung. Aber plötzlich kam dieser wieder an die Oberfläche. Wenn einen Vierbeiner, dann etwas größeres, und ich hätte auch gerne wieder einen Schäferhund um mich gehabt.

Ich liebe Schäferhündinnen

Ich bin mit Schäferhündinnen aufgewachsen. Dixi vom Schloss Neubeuern (Fotos links) kam zu uns nach Hause – da war ich acht Jahre alt. Sie begleitete vor allem meinen Vater bei seinen zahlreichen Bergtouren, ich kann mich ehrlich gesagt eher weniger an sie erinnern. Außer dass ich sie in den Armen hielt, als sie im Alter von 13 Jahren eingeschläfert werden musste. Unsere nächste Hündin, Flora vom Wiesengrund, holte ich 1993 vom Züchter ab. Vier Wochen lang kümmerte ich mich um den drei Monate alten Welpen – meine Eltern waren zu der Zeit im Urlaub. Das prägte mein Verhältnis zu dieser Hündin stark. Sie durfte bei mir im Zimmer schlafen, ich kochte ihr Reis, raspelte frische Karotten, kaufte frisches Hackfleisch (heute heißt diese Ernährung Barfen) und nahm sie überall mit hin. Flora blieb immer ein Frauenhund. Sie folgte meinem Vater nur leidlich – im Gegensatz zu unserer ersten Hündin, die sich vor Ehrfurcht schon bei einem Blick ihres Herrchens auf den Boden warf.

Jetzt sind wir auf den Hund gekommen

Ginny und Schäferhund-MamaAls ich die Fotos von Claudias bunten Welpen-Mix sehe, bin ich sofort verliebt. Musste ich also nur noch mit meinem Partner sprechen, ob er sich auch ein Leben mit Hund vorstellen kann. Gesagt, getan. Bei diesem Gespräch erfahre ich, dass es sein größter Kindheitstraum gewesen sei, einen Hund zu haben. Er meint aber, er möchte lieber etwas ruhigeres, wie zum Beispiel einen Labrador. Na, wenn das mal kein Zufall ist! Ich zeige ihm die Bilder von Claudias Welpen. Von dem Moment an ist es für uns klar: Wir sind auf den Hund gekommen.

Nicht wir suchen aus – wir werden ausgesucht

Ginny und UschiGerne hätte ich einen der Schäferhundwelpen gehabt, aber diese sind schon vergeben. Es bleiben noch zwei schwarze Mädels – und wir vereinbaren Claudia zu besuchen, um uns unser neues Familienmitglied auszusuchen. Ich werde nie den Moment vergessen, als ich bei meiner Freundin auf den Hof fahre, und mir eine vielfarbige Schar kleiner und großer Hunde entgegenkommt. Ich setze mich einfach auf den Boden und begrüße jeden einzelnen ausgiebig. Und dann kommt der Moment, in welchem sich eines der schwarzen Mädels für mich entscheidet: Die eine wollte gleich wieder von meinem Arm runter, die zweite bleibt bei mir und schläft auf meinem Arm ein. Das Blöde war dann nur: Mein Partner kommt etwas später nach, und bei ihm fühlt sich scheinbar das andere Mädchen wohl. Was tun? Da klar ist, dass der Hund mehr Zeit mit mir verbringt, entscheiden wir uns dann für „mein“ Mädchen. Rein optisch unterscheiden sie sich nur über kürzere (unsere Hündin) und längere Ohren. Ich hoffe zu diesem Zeitpunkt noch auf Stehohren…

Wir planen den Einzug unseres Welpen

Aufgeregt fahren wir wieder nach Hause, und beginnen den Einzug unseres Welpen zu planen. Wir lesen Bücher und sprechen mit Hundebesitzern. Glücklicherweise finde ich eine Hundetrainerin im Landkreis Traunstein, die zu uns ins Haus kommt und das Training mit positiver Verstärkung aufbaut. Ich hatte mich nie viel mit lerntheoretischen Inhalten bei der Erziehung von Hunden beschäftigt, aber aversive Maßnahmen waren mir schon beim Training meiner Pferde fremd – rein intuitiv arbeitete ich als Jugendliche mit Lob und Belohnung.

Gin und Ginny Weasley – spritzig, frisch und charaktervoll

Ginny im Garten

Einen Namen mussten wir nicht mehr suchen, der stand schon lange fest. Während der Labrador-Papa auf den Namen Tequila hört, nennt Claudia die Schäferhund-Mama Jackie. Was lag da näher als unsere Hündin Ginny zu nennen? Ich bin zwar kein Harry-Potter-Fan, aber Ginny Weasley hat ein paar wunderbare Eigenschaften wie Cleverness und Raffinesse. Dafür sind wir Gin-Fans – und das schon seit vielen Jahren. Also beste Voraussetzungen! Denn nomen est omen…

Im August beginnen aufregende Zeiten

Ginny in Waging am SeeIm August 2019 ist es dann soweit. Wir holen unsere kleine Fellnase ab. Gott sei Dank ebbt der Weltschmerz nach 20 Minuten ab. Während der Fahrt will sie immer wieder mal in meine Arme zurück, aber auch im Fußraum fühlt sie sich wohl. Zu Hause angekommen, ist sie so erschöpft, dass sie gleich neben ihrem Bett einschläft. Mein Nachtlager auf dem Sofa ist bereits gerichtet, und so starten wir in unsere erste Nacht. Sobald sie wach wird, hebe ich sie hoch, und bringe sie zu ihrem Pinkelplatz in den Garten. So geht es etwa alle drei Stunden, und um 5.45 Uhr ist die Nacht erstmal vorbei – unsere kleine Fellnase hat mich aufgeweckt.

Schlafen, spielen, fressen – und immer wieder pinkeln

Ginny angekommen in Waging am SeeEin kleiner Spaziergang, ein bisschen spielen, und dann legt sie sich ans Ende vom Sofa und schläft. Sie ist sehr müde von der ganzen Aufregung, frisst kaum, aber immer wieder geht sie auch auf ihr Hundebett. Nur das mit dem Lösen an einem bestimmten Platz ist etwas schwierig, hier hilft mir wieder unsere Hundetrainerin (super Kommunikation per WhatsApp). Mit Leine soll ich zum Löseplatz gehen und dann warten. Sobald Ginny ihr Geschäft erledigt hat, soll ich sie von der Leine lassen, damit sie sich wieder frei im Garten bewegen kann. Zusätzlich baue ich noch das Signal „Bieseln“ auf. Jedes Mal, wenn Ginny sich löst, sage ich dieses Wort, und mittlerweile bieselt unsere Hündin auf dieses Signal. Immer sehr praktisch, wenn wir irgendwo hinfahren, sie von meiner Mama abholen, oder das Haus ohne sie verlassen. 

Unsere Hundetrainerin ist von Anfang an dabei

Bereits eineinhalb Wochen nach Einzug unseres Welpen kommt unsere Hundetrainerin das erste Mal ins Haus. Im Vorfeld hatten wir bereits ein Erstgespräch absolviert, und eine umfangreiche Welpenmappe bekommen. Auch wenn wir noch kein neues Geschirr benötigen, wir kaufen trotzdem eine Fünf-Meter-Schleppleine mit Edelstahlkarabiner (über Lenny Equipment). In der ersten Stunde geht es um den Aufbau eines Markersignals. Wir suchen uns das Wort „Top“ aus. Es sagt Ginny: Das war richtig! Jetzt kommt deine Belohnung. Damit haben wir nach den Worten unserer Hundetrainerin einen enormen Timing-Vorteil. Ein weiterer Vorteil: Darüber lässt sich neues Verhalten viel leichter und schneller aufbauen. Des Weiteren steht die Technik „Zeigen und Benennen“ auf dem Stundenplan, Umgang mit Ressourcen und die Dominanztheorie (dieser möchte ich aber eine eigene Geschichte widmen – zu umfangreich und wichtig ist dieses Thema).

Welpen brauchen ganz viel Ruhe

Ginny schläftNachdem wir mit Ginny einen sehr aktiven Welpen bekommen hatten, steht bereits in der zweiten Stunde das Thema Entspannung auf dem Programm. Ich soll eine Entspannungsdecke konditionieren (irgendwie habe ich das seitdem immer wieder verdrängt, noch heute sind wir mit dem Training nicht weiter). Dafür bekommt Ginny seit dieser Zeit ihren gefüllten Kong. Am Anfang mit Paste oder Trockenfutter gefüllt. Nachdem aber unsere Hündin eine Schnellcheckerin ist, musste ich die Füllungen immer wieder anpassen, beziehungsweise durch Einfrieren die Schleckdauer verlängern. Zurzeit verschließe ich den Kong mit Trockenfutter, darauf kommen klein geschnittene Gurken, die nächste Schicht ist Hüttenkäse oder Nassfutter (je nach Gewicht unserer Hündin – Diät oder nicht) und als letztes kommt Karottenbrei (gibt es als Pellets fertig zu kaufen) mit Schwarzkümmelöl (dieses soll die Zecken fernhalten). Und letztendlich auch was für die Entspannung: viel Streicheleinheiten, und Ausprobieren, bei was Ginny am besten entspannt (sie hat viele Stellen).

Spaziergehen? Nein, spazieren stehen!

Es ist schon irre, wie so ein junger Vierbeiner den Alltag strukturiert. Nach jedem Fressen, nach jedem Spielen, nach jeder Schlafpause heißt es erstmal raus zum Pinkeln. Dazwischen kurze Spaziergänge (fünf Minute pro Lebensmonat), um die Umwelt zu erkunden. Eigentlich war es am Anfang mehr spazieren stehen als gehen. Unsere Hundetrainerin hatte uns für jedes Erlebnis eine Liste zum Eintragen gegeben. Kühe gesehen, Check. Mensch mit Hut gesehen, Check. Ein lautes Geräusch gehört, Check. Und immer fleißig alles markern. Es zeigt sich schnell, dass Ginny vor kaum etwas Angst hat. Außerdem lernt sie sehr flott. Unsere Hundetrainerin bezeichnet sie zu diesem Zeitpunkt bereits als „blitzgescheite kleine Maus“.

Ginny entdeckt das Sofa und macht ein Spiel daraus

Auf den Hund gekommen - GinnyEnde August entdeckt Ginny das Sofa für sich. Ein neues Spiel beginnt. Sobald ich aus dem Raum gehe, oder kurz unaufmerksam bin, hopst sie aufs Sofa. Da wir beschlossen hatten, unsere Hündin mit positiver Verstärkung zu trainieren, bekamen wir Tipps von unserer Hundetrainerin, wie wir ihr beibringen, dass sie einen anderen Platz für sich hat. Das bedeutet: kein lautes Wort, keine Strafe, kein Zwingen. Mit einer Hausleine, die kurz genug war, dass sie dranbleiben kann, hatten wir ein Mittel, sie freundlich von der Couch zu führen, und unterstützend rollte dann irgendwo ein Leckerli hin. Zusätzlich notiere ich mir, wann das Verhalten auftritt. Es ist ziemlich schnell klar: entweder weil sie unsere Aufmerksamkeit wollte, oder weil wir auf dem Sofa lagen, und sie die Gemütlichkeit scheinbar mit uns teilen wollte. Also beginnen wir, sie vorher abzufangen. Entweder spielen wir eine Runde mit ihr, machen eine Trainingseinheit, setzen uns auf den Boden zu ihr und streicheln sie, oder ich setze mich auf einen Sessel. Es dauert einige Zeit, bis sie das Sofaklettern bleiben lässt. Und noch heute zeigt sie hin und wieder dieses Verhalten. Aber mittlerweile reagiert sie gut auf das Signal „Runter“, weil sie weiß, dass es sich für sie lohnt.

Eine aufregende Zeit – auch für die Hundesitterin

Ginny am GardaseeSchon früh haben wir Ginny an meine Mama und ihre Wohnung gewöhnt, denn sie hatte sich im Vorfeld bereiterklärt, unsere Hündin zu nehmen, wenn ich Termine in München habe (sehr wichtig: jemanden zu haben, der mal auf den Hund aufpasst). Und wer hätte das gedacht: Unsere kleine Fellnase fühlt sich von Anfang an wohl bei meiner Mama (auch kein Wunder, sie kennt sich ja aus mit Hunden), und nutzt sogar den Ablauf der Dachterrasse als Pinkelplatz. Schnell auf den Rost gesetzt und laufen lassen. Das erspart meiner Mama den Weg nach unten, und die Herausforderung mit einem zappelnden Welpen spazieren gehen zu müssen. Allerdings ist es am Anfang für meine Mama ebenfalls sehr anstrengend den kleinen Welpen alleine zu haben. Keine Minute kann sie sie aus den Augen lassen. Nichts ist sicher vor ihrer neugierigen Nase, und immer wieder muss sie nachschauen, ob ich nicht ganz leise nach Hause gekommen bin. Bei jedem Geräusch läuft sie zur Tür.

Gestärktes Immunsystem und ganz viel Oxytocin

Auch im Oktober muss sich unser neues Familienmitglied immer noch einleben. Ich kann fast keinen Schritt ohne sie machen, geschweige denn alleine das Haus verlassen. Außer mein Partner ist zu Hause, dann geht das. Trotzdem bereitet sie uns viel Freude. Es ist schwer zu erklären, welche Gefühle so ein Tier in einen auslöst. Die Wissenschaft weiß mittlerweile, dass Streicheln den Blutdruck senkt, und das Hormon Oxytocin vermehrt ausgeschüttet wird – bei Mensch und Hund. Zudem gibt es den Spruch: Ein Hund ersetzt den Internisten. Noch sind die Spaziergänge kurz, aber wir müssen bei Wind und Wetter raus, das stärkt das Immunsystem!

Ein kleiner schwarzer Schatten auf Schritt und Tritt

Ginny im GartenManchmal ist es auch anstrengend, sich um so einen kleinen Welpen zu kümmern. Vor allem das frühe Aufstehen (5.30 und 6 Uhr) macht mir zu schaffen. Auch muss ich mich erst daran gewöhnen, einen (noch) kleinen schwarzen Schatten zu haben. Sobald ich aufstehe, ist sie an meiner Seite. Wartet vor der Toilette, oder bis ich wieder aus dem Keller komme. Auch jetzt, ein Jahr später, folgt sie mir oft auf Schritt und Tritt. Wo ich bin, ist sie auch.
Nach drei Monate bei uns im Haus – wird unser Leben etwas entspannter. Wir dürfen bis 7 Uhr schlafen, wir können in aller Ruhe frühstücken und das Einsteigen ins Auto läuft ganz entspannt ab. Und wir machen weiter mit dem täglichen Training: Sitz, Platz, Bleib, Komm, Pfote, Warten. Oder sich in Ruhe abtrocknen zu lassen, wenn Pfoten und Bauch nass sind. Unser schwarzer Wirbelwind benötigt viel Aufmerksamkeit, Liebe und Geduld, aber wir sind jeden Tag froh, auf den Hund gekommen zu sein…