Mit dem Fahrrad die Hauptstadt Japans zu erkunden, macht riesigen Spaß und ist sowas von lässig! Allerdings bin ich nach vier Stunden völlig platt. Es geht nämlich rauf und runter in der Millionenstadt. Außerdem gibt es keine Fahrradwege, Fußgänger und Fahrradfahrer teilen sich den Gehsteig. Deshalb ist einiges an Konzentration gefragt, um keinen Menschen umzufahren. Und zudem verlangt der Linksverkehr höchste Aufmerksamkeit. Mir kommt das japanische Wort „Harakiri“ in den Sinn…

Tomo holt mich am Hotel im Stadtteil Shinjuku ab. Wir kennen uns nur von Instagram, und es ist eine große Freude, sie persönlich zu treffen. Sie hat immer meine Fotos geliked, seit ich meinen Account habe. Und in ihrem Nutzernamen steht „aus Tokio/Japan“. Also fragte ich sie nach Tipps, und plötzlich machte sie das Angebot, mich mit dem Fahrrad durch die Stadt zu führen. Was für eine tolle Idee (thank you so much, Tomo – it was such an amazing afternoon!!!).

Zu Fuß geht’s zur Shinjuku-Station, dort steht das zweite Fahrrad – und das Abenteuer beginnt. Erstmal gibt es einen Rundumblick über die City: vom Tokio Metropolitan Government Building, dem Sitz der Stadtverwaltung. Mit dem Lift geht es 45 Stockwerke nach oben. Und schon liegt mir Tokio zu Füßen. Hochhaus reiht sich an Hochhaus, dazwischen stehen kleinere Gebäude dicht an dicht. Es sind auch ein paar Grünflächen zu sehen, wie zum Beispiel das Gelände des Meijijingu-Shrine oder der Yoyogi-Park. Am Horizont lässt sich sogar Mount Fuji erkennen.

Hügel rauf, Hügel runter geht es weiter. Manchmal habe ich meine liebe Not, Tomo zu folgen. Sie schlängelt sich gekonnt um die Menschen herum. Rund um die Harajuku-Station schieben wir die Räder. Selbst zu Fuß ist kaum ein Durchkommen möglich. Massen drängen sich durch die schmale Takeshita-Street. Meine Augen quellen fast über, denn links und rechts springen einen die schrillen Auslagen der Geschäfte an. Wir sind im Zentrum schrägster, japanischer Jugendkultur und Fashion gelandet. Netterweise lassen sich manche der Mädels fotografieren – ich hätte den ganzen Nachmittag bleiben können, doch Tomo nimmt ihre Rolle als Tourguide sehr ernst… Nach einem Mittagessen in einem Mini-Restaurant mit gerade mal sechs Tischen geht es weiter.

Gleich gegenüber liegt der Meiji-Schrein. Durch das riesige Torii-Tor betreten wir das Gelände mit über 10.000 Bäumen. Das ursprüngliche Bauwerk zu Ehren des Kaisers Meiji stammt aus den 1920-er-Jahren, nach der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wurde es 1958 wieder aufgebaut. Während seiner Regentschaft hat er das Land modernisiert und seine Nation dem Westen geöffnet. Eine breite Allee führt zum Schrein. Auf dem Weg dorthin passieren wir eine Installation aus Sake-Fässern. Diese werden jedes Jahr den Gottheiten dargebracht. Von den Gebäuden rund um den Schrein sehe ich nicht viel – sie werden gerade renoviert.

Unser nächster Stopp ist die Shibuya-Kreuzung (siehe auch „Einfach zu viele Menschen auf einem Fleck“). Zehntausende überqueren diese täglich. Und hier erlebe ich die Menschenmassen wieder hautnah. Von links nach rechts, kreuz und quer eilen die Japaner von einer Straßenseite zur anderen. Ein unglaublicher Anblick, vor allem aus dem ersten Stock des Starbucks direkt über der Kreuzung.

Als Kontrast führt mich Tomo über den Prominentenfriedhof der Stadt. Die Grabmäler von Aoyama sind zum Teil sehr beeindruckend. Vor allem fasziniert mich die Ruhe – eine Oase mitten in der City.

Zurück geht’s über den Yoyogi-Park. Und obwohl es schön langsam dunkel wird, sitzen die Tokioer noch draußen, machen Picknick und plaudern. Wir bringen die Räder zu Tomos Apartment zurück – nicht ohne nochmal rauf und runter, und mäandernd Menschen zu umfahren. Die prächtige Einkaufsstraße nehme ich daher nur am Rande wahr. Die bekannten Luxuslabels sind hier in unglaublicher Zahl vertreten: Prada, Gucci, Louis Vuitton – und wie sie alle heißen. Shoppen scheint eine beliebte Freizeitbeschäftigung zu sein…

Ich bin langsam aber sicher richtig müde! Ich weiß nicht, wie viele Kilometer wir geradelt sind, dazu über zwölf Kilometer gelaufen. Im Hotel falle ich nur mehr ins Bett – aber cool war’s! Thanks, Tomo!