Der beigefarbene Dingo ist kein Mythos. Immer wieder kommt es auf Fraser Island zu Angriffen auf Menschen. Zwischen 200 und 300 der schäferhundgroßen wild dogs leben auf der zu Queensland, Australien, gehörenden Insel. Zwei Tage lang führt mich meine Tour (mit Discovery) zu mehr oder minder versteckten Plätzen auf der größten Sandinsel der Welt. Sie gehört zum Kulturerbe der Unesco.

Unsere Unterkunft in Happy Valley umgibt ein großer Zaun, die Zufahrt erfolgt über ein Gitter, das unter Strom steht. Unser Tourguide Brock warnt mehrmals davor, des Nächtens oder zum Sonnenaufgang alleine an den nur wenige Meter entfernten Strand zu gehen. Als ich um 3 Uhr in der Früh aufwache, habe ich große Lust auf einen kleinen Spaziergang. Doch die Horrorgeschichten vom Vorabend sind mir zu lebhaft im Gedächtnis und ich verzichte auf das Abenteuer. Dafür belohnt mich ein Blick in den Nachthimmel. Ich sehe mehrere Sternschnuppen…

Start des Abenteuers in Noosa Heads

Die Tour beginnt in Allerherrgottsfrüh (6 Uhr) in Noosa Heads, ein charmantes Strandbad an der Sunshine Coast. Delfine-Füttern steht als erstes auf dem Programm. Jeden Tag um 8 Uhr finden sich die eigentlich wild lebenden Tiere ein, um die Touristen zu erfreuen. Fünf Dollar (etwa 3,50 Euro) kostet der kleine Fisch, der dann flugs im Maul des Säugetieres verschwindet. Streicheln ist allerdings strengstens verboten, obwohl die Tiere im knietiefen Wasser auf Tuchfühlung gehen. Vermutlich sind sie einfach nur am Futter interessiert. Währenddessen beobachtet ein Pelikan die Szenerie, und erhofft sich auch ein Stück vom Kuchen.

In der Nähe des Rainbow Beach bekommt unser Warriors auf vier Rädern noch einmal etwas zu trinken, bevor wir mit der Fähre nach Fraser Island übersetzen. In der Ferne sehen wir bereits zum zweiten Mal an diesem Tag Delfine. Und dann beginnt das Abenteuer auf der 123 Kilometer langen Sandinsel.

Obwohl es sehr früh ist, herrscht einiges an Betrieb auf dem 75-Mile-Beach. Geländegängige Autos teilen sich den Insel-Highway mit landenden Motorflugzeugen (haben immer Vorfahrt). 80 Kilometer pro Stunde sind erlaubt. Wir fahren diese Höchstgeschwindigkeit immer wieder mal, der Sand lässt das bei Ebbe ohne Probleme zu. Etwas holpriger wird es nur, wenn Wasser in kleinen Furten ins Meer läuft. Doch unser All Terrain Warriors, der bis zu 22 Leuten Platz bietet, überzeugt mit einem angenehmen (Mit-)Fahrgefühl.

Durch die großen Panoramafenster sehe ich das Meer, das hier in den unglaublichsten Farben von Türkis über Azur bis hin zu Indigo schillert. Jede Nuance ist vertreten. Dazu der breite Sandstrand – ich bin begeistert!

Nach einer kleinen Pause am Eli Creek fahren wir weiter Richtung Norden. Dieser kleine Fluss sorgt besonders bei Kindern für Fun, weil sie sich auf Boogie-Boards an Eukalyptusbäumen vorbei in Richtung Meer treiben lassen können.

Jeder Blick ein Stillleben

Ein Stillleben nach dem anderen zieht an uns vorbei. Fischer, die meterlange Sandwürmer aus dem Boden ziehen. Ein Seeadler, der über unseren Köpfen kreist. Das rostige Wrack des 1935 gestrandeten Luxusliners „S.S. Maheno“, das mit seinem starken Kontrast zu Meer und Sand wie gemacht ist für ein Fotomotiv.

Hoch oben auf dem Indian Head genießen wir das sanfte Licht des Spätnachmittags. Das Meer unterhalb der steil abfallenden Klippen schimmert um diese Zeit noch intensiver, die Wanderdünen landeinwärts bekommen eine goldfarbene Tönung und die Gesichter der Tourteilnehmer einen besonderen Glanz.

Der Abend klingt mit einem gemeinsamen Essen in der Unterkunft im Happy Valley aus. In unserer elfköpfigen Gruppe im Alter zwischen 20 und 70 Jahren unterhält sich jeder mit jedem. Es herrscht eine entspannte, fröhliche Atmosphäre. Die meisten von uns kommen aus Deutschland oder Österreich; Holland, Irland, Spanien und Dänemark sind ebenfalls vertreten. Die ersten verlassen die Runde bereits gegen 20 Uhr in Richtung Zimmer.

Die Nachtruhe endet mit dem ersten Sonnenstrahl

Hier in Australien stehen die Leute früh auf, und gehen dementsprechend zeitig zu Bett. Bei den Travellern, die alle in ihren gemieteten Autos nächtigen, verstehe ich das. Mit dem ersten Sonnenstrahl ist es vorbei mit der Ruhe. Vermutlich hängt es aber auch damit zusammen, dass in den Gemeinschaftsunterkünften immer jemand dabei ist, der bereits beim ersten Vogelzwitschern aufsteht – und das Geraschel beginnt. Noch ein weiterer Grund für mich Nachteule, die etwas höheren Einzelzimmer-Preise zu zahlen. Von diversen Gerüchen und Geräuschen ganz zu schweigen.

Auch der zweite Tag erfreut uns mit Sonnenschein – obwohl es für unseren Spaziergang durch den auf Sandboden wachsenden Regenwald fast egal ist. Durch die meterhohen tropischen Bäume fällt an manchen Stellen kaum ein Lichtstrahl.

Die einspurige Sandstraße ins Inselinnere gleicht einer Karussellfahrt. Wir schaukeln von links nach rechts, und zurück. Es hebt uns teilweise sogar aus den Sitzen. Die hinterste Busreihe ist heute eine schlechte Wahl, außer man steht auf kleine Kopfstöße. Langsam fahrende Jeeps lassen uns überholen. Unser All Terrain Warriors macht seinem Namen alle Ehre.

Warnung vor dem bösen Dingo

An einem kleinen Picknickplatz gibt es Kaffee und Kekse, danach erwartet uns ein etwa 40-minütiger Spaziergang entlang eines Baches. Hier wachsen Königsfarne, Neuguinea-Auraukarien und Satinay-Pinien in teilweise Schwindel erregende Höhen. Früher wurde auf Fraser Island noch stark gerodet. Das harte Satinay-Holz beispielsweise wurde im Suezkanal und auf den Londoner Docks verbaut, erzählt unser Tourguide. Doch bevor er uns losziehen lässt, kommt wieder der obligatorische Hinweis auf die Dingos und das richtige Verhalten bei Gefahr. Jeder nickt, denn keiner von uns will deren Bekanntschaft aus nächster Nähe machen. Wer schon einmal von einem Schäferhund angefletscht wurde, weiß wovon ich rede.

Die Szenerie ist in ein dunkles, intensives Grün getaucht. Bizarre Gebilde geben die Würgefeigen ab, die ihrem Wirtsbaum langsam aber sicher die Luft zum Atmen nehmen. Nach etwa einer halben Stunde verlassen wir („nie alleine gehen“) den Flusslauf, ein paar Dutzend Stufen führen uns zum Pile Valley. Hier wachsen Prachtexemplare der Satinay-Pinien bis zu 40 Meter in den Himmel.

Romantik pur – fast wie im Film

Unser Warriors bringt uns dann zum nächsten Highlight: dem Lake McKenzie. Kristallklares, türkisfarbenes Wasser und feinsandiger, weißer Strand betört die Sinne. Romantik pur! Der Film „Die blaue Lagune“ kommt mir in den Sinn. Cut! Zu viele Touris bevölkern diese Sehenswürdigkeit. Pärchen begnügen sich daher mit Selfies und Close-up-Fotos. Auf denen sieht es zumindest so aus, als hätten sie dieses Paradies auf Erden für sich alleine gehabt.

Nach einem schnellen Mittagessen im eingezäunten Bereich (nur ein paar Echsen lassen sich blicken) geht’s über „die schlimmste Straße der Insel“ (O-Ton) zurück zum Strand. Aber dies würde ja unsere Verdauung anregen. Und falls wirklich jemandem schlecht werde, der solle sich melden, lacht unser Guide, und gibt Gas. Ähnlich wie beim Mountainbiken bedeutet eine höhere Geschwindigkeit weniger ups and downs, versuche ich mich zu beruhigen. Allerdings: Brock hat nicht übertrieben. Eine Stunde lang Rock’n’Roll! Wie mag sich die Fahrt wohl in einem normalen Jeep anfühlen? Ich möchte mir das gar nicht ausmalen. Der Insel-Highway kommt mir anschließend fast wie eine asphaltierte Straße vor.

Wir halten noch einmal Ausschau nach Dingos. Es wäre schon toll, noch einen aus dem Bus heraus zu erspähen, denke ich mir. Leider lässt sich keiner sehen. Über den Rainbow Beach geht’s auf Sand zurück nach Noosa Heads. Auch ohne Dingo-Begegnung hat sich der zweitägige Ausflug mehr als gelohnt. Zum absoluten Glück fehlte mir nur eine Sache: Gerne hätte ich mal selbst eine der Sandpisten mit Jeep oder Motorrad gerockt!

© Dingo im Sonnenaufgang Foto: Klaus Horner

© Dingo ganz nah Foto: Brock Harris