Eine „gravel road“ wie aus dem Bilderbuch: Schlaglöcher, Kurven, Gefälle und Anstiege. Der 15-minütige Weg zu unserem Eco Retreat auf Maui fordert jeden Autofahrer heraus. Michèle, eine Schweizerin, bezeichnet ihn als „Frechheit“, als sie eines Abends bleich und entnervt ankommt. Sie hat keinen SUV wie wir gemietet und fährt die Straße genau zweimal: einmal hin und einmal zurück.

Für gewöhnlich kann ich Karten und Wegbeschreibungen lesen, aber es gibt immer ein erstes Mal. Wir übernehmen unseren Mid-SUV, einen Jeep, am Flughafen Kuhului. Die Wegbeschreibung unserer Gastgeber führt uns auf dem Hana Highway über Paia nach Haiku. Wir lesen aufmerksam die Meilensteine. Denn irgendwann sollen diese wieder genullt sein.

Bei 15 glauben wir, in die falsche Richtung zu fahren und drehen um. Über Paia geht es zurück in Richtung Flughafen. Erneut kommen uns Zweifel, ich lese noch einmal die zweiseitige Wegbeschreibung und drehe erneut um. Wir fahren, fahren und fahren. Nach etlichen Kilometern – Meilen kann ich echt schwer einschätzen – kommt endlich der Meilenstein null. Noch 3,5 Meilen, dann geht es links weg. Passt. In Kurven schlängelt sich die Straße durch tropische Gefilde. Und plötzlich geht’s auf eine Sandpiste.

Nach den ersten Metern schicke ich Nicolas – er hat die Reservierung des Wagens gemanagt (http://www.carrentalhawaii.com) – ein inniges Dankeschön. Ich hätte diesen Weg nicht fahren wollen ohne Jeep. Endlich erreichen wir unsere Unterkunft für die nächsten sieben Tage, doch niemand empfängt uns. Wir sollen eine Telefonnummer anrufen. Nach einigen Minuten taucht unser Gastgeber auf.

Nach einer kurzen Einführung, der Übergabe des restlichen Geldes in bar, sollen wir die Worte nachsprechen „Feel your feet“. Alles klar. Deshalb dürfen wir auch sofort die Schuhe ausziehen und auf dem kalten Steinboden barfuß laufen. Gott sei Dank haben wir Hausschuhe und Socken im Gepäck. Plötzlich fällt uns ein, dass wir kein Essen eingekauft haben. Also wieder ins Auto, zurück auf den Highway holpern und im nächsten Ort (zwölf Meilen) einkaufen. Nach über einer Stunde sind wir wieder an Ort und Stelle. Ich bin fertig mit der Welt, und möchte nur mehr ins Bett.

Am nächsten Tag weckt uns helles Licht. Die Vorhänge gaukeln nur vor, den Raum zu verdunkeln. Es ist vor acht Uhr. Doch nicht nur die Sonne weckt uns, sondern auch der penetrante Geruch von Bacon and Eggs aus der Gemeinschaftsküche. Der Traum für jeden Vegetarier! Allerdings: Bei Tag sieht das Retreat bei Weitem freundlicher aus.

Wir gehen auf Entdeckungsreise. Über den spektakulären Ocean-Trail, der zum Teil mit Seilen gesichert ist, geht’s hinunter ans Meer. Und wieder begeistert uns Hawaii mit fantastischen Stränden. Zurück nehmen wir den „magic path, der seinen Namen zu Recht hat. Gewaltige Bäume, atemberaubende Ausblicke, tropische Pflanzen säumen den Weg.

Die nächsten Tage bleiben wir dem Retreat fern, nehmen in der Früh ein schnelles Frühstück ein, begnügen uns abends mit einer kleinen Brotzeit. Wir fühlen uns hier nicht willkommen. Die Gastgeberin sehen wir kein einziges Mal – für alles weitere sind die „freiwilligen“ Helfer zuständig, unter anderem für das Housekeeping und die Yogastunden. Junge Leute, die ein dreimonatiges Praktikum absolvieren. Es gibt scheinbar keine Festangestellten.

Die vielen Regeln nerven uns.

  • Kein Rauchen im und um das Haus.
  • Alle Lichter ausschalten, wenn sie nicht benötigt werden.
  • Bitte kurz duschen.
  • Türen leise schließen.
  • Keine Schuhe im Haus.
  • Nachtruhe von 22 bis 8 Uhr.
  • Jederzeit alles aufräumen (Küche und Bad).
  • Kompostiere und Recycle.

Regeln wie diese mögen in einer Jugendherberge in Ordnung sein, aber nicht in einem Retreat, dessen Zimmer bis zu 150 US-Dollar pro Nacht kosten. Kleine Tempel sogar bis zu 225 US-Dollar.

Keiner der Gäste verbringt den Tag hier. Kein Wunder, es gibt im Freien nirgendwo einen Platz, der zum Bleiben einlädt. Obwohl die Anlage ein Traum ist: meterhohe Palmen, prächtige Bäume und Pflanzen, asiatische Statuen. Selbst bei den Yogastunden bin ich der einzige Gast, der daran teilnimmt.

Eines Abends taucht Michèle mit ihrer Tochter Noè im Retreat auf. Völlig fertig berichtet sie uns von ihrer Horrorfahrt mit ihrem „normalen“ Mietauto. Zweimal sei sie aufgesetzt. Sie ist am Ende und nimmt dankbar ein Glas Rotwein an. Im weiteren Verlauf des Abends und des nächsten Morgens verköstigen wir (nur wegen unseres Karmas) und ein amerikanisches Pärchen die beiden. Die Schweizerin will diese Straße nur noch einmal fahren – raus. Sie bricht ihren Aufenthalt vorzeitig ab. Allerdings bekocht sie uns den nächsten Abend, bevor sie den Rückweg antritt.

Um unser Karma noch einmal aufzubessern, bieten wir Michèle und ihrer Tochter einen Fahrdienst an. Wir laden alle Koffer in unseren Jeep, auch Noè steigt bei uns ein. Nachdem es seit zwei Tagen geregnet hat, ist die Straße zudem noch rutschig. Doch alles geht gut. Wir verabschieden uns von den beiden auf der geteerten Straße und wir starten unser nächstes Abenteuer: eine Lomi-Lomi-Massage in Haiku.