Was für ein Pfeifen, Kreischen, Zwitschern, Fiepen, Piepen, Zirpen, Zischen, Summen und Surren. Die nächtlichen Geräusche im australischen Regenwald sind faszinierend und angsteinflößend zugleich. Ein Aufenthalt in den einfachen Hütten des Sanctuary Retreat in der Nähe von Mission Beach ist ein unvergessliches, intensives Erlebnis. Zum einen faszinierte mich dieser magische Ort, zum anderen war ich nach fünf Tagen froh, wieder auf etwas mehr Zivilisation zu treffen.

Das Abenteuer beginnt mit der Anfahrt. Ich wusste nicht, dass Autos, wenn auch Jeeps, Steigungen dieser Art bewältigen. Da es bereits dunkel ist, sehe ich nur einen Teil des Weges. Mein Ziel, das Sanctuary Retreat, liegt mitten im Regenwald – das Hauptgebäude und die Unterkünfte sind in eine Anhöhe gebaut. Und ich meine nicht irgendeine Anhöhe – es geht rauf und runter, kreuz und quer.

Bereits in der Buchungsmail gibt es einen Vorgeschmack auf die Lage des Retreats. Jeder Gast sollte körperlich fit und sportlich sein, und die Inhaber empfehlen eine Ankunft bei Tageslicht, bevor das Nightlife  des Regenwalds erwacht. Bereits in meiner ersten Nacht, ist mir klar, wovon die Rede ist. Während ich unter der Dusche stehe, beschließt eine Kröte neben mir auf den Boden zu klatschen. Ich muss vermutlich nicht erwähnen, dass ich laut aufschreie. Die Geckos hingegen, die es sich an den Wänden der Hütte gemütlich machen, bemerke ich schon fast nicht mehr. Sie gehören in einfach dazu, und ich mag ihr giggelndes Lachen.

Meine Hütte besitzt eine kleine Veranda – auf Augenhöhe mit den Baumkronen. Keine der Unterkünfte hat Wände, sondern nur Moskitonetze. Ich höre alles – unglaublich. Jede Nacht lausche ich eine Stunde den fremdartigen Geräuschen, bevor ich meine Ohrstöpsel nehme. Ansonsten wäre an Schlaf kaum zu denken. Zu laut! Manch ein Vogel hört sich an wie ein kaputtes Radio, ein anderer wie ein Kind, das ständig kichert, und wieder ein anderer wie permanentes Reifenquietschen. Ganz zu schweigen von den anderen Geräuschen, die ich noch nie gehört habe, geschweige denn einordnen kann.

Ein nächtlicher Gang zur etwa 100 Meter entfernten Toilette den Berg rauf ist immer sehr spuky. Bei jedem Schritt raschelt es links und rechts im Gebüsch. Manchmal sehe ich fette Kröten direkt in meinem Lichtkegel; vor allem, wenn es regnet, sind sie überall. Regelmäßig laufe ich in Spinnennetze, die mein komplettes Gesicht überziehen. Es ist stockdunkel (dass Nacht nur so dunkel sein kann?), untertags sehe ich die dazugehörigen Spinnen wenigstens. Außerdem sind mir die Warnungen vor Cassowarys gegenwärtig. Diese flugunfähigen Vögel sind über einen Metern groß und machen immer wieder von sich reden, weil sie Menschen angreifen.

Bei Tageslicht erkunde ich die Umgebung, das Gelände reicht fast bis an den Strand. Über Bingil Bay geht’s nach Mission Beach. Einen Teil laufe ich am menschenleeren Strand entlang, den Rest an der Straße. Bis es mir zu blöd wird, und ich hitchhike. Eine charmante, junge Frau nimmt mich mit.

Auf dem Rückweg wähle ich einen anderen Weg, laufe auf einem kleinen Trail in Richtung Hauptgebäude. Trittsicherheit ist gefragt. Deshalb blicke ich meistens auf den Boden. Ein Fehler! Beim ersten Mal hängt die riesige goldfarbene Spinne direkt vor meinem Kopf. Vor lauter Schreck springe ich ein paar Meter rückwärts. Mein Herz schlägt mir bis zum Halse. Ich hätte mich vielleicht vorher erkundigen sollen, wie giftig die Tierchen sind. Bewaffnet mit einem Stock krieche ich unter dem riesigen Netz hindurch. Von dem Moment achte ich auf sämtliche Bewegungen um mich herum. Mit dem Stock versuche ich alle Spinnweben abzufangen, bevor ich hineinlaufe. Muss lustig aussehen, ist mir zu diesem Zeitpunkt aber egal.

Am meisten genieße ich die Abendessen im Sanctuary. Die gesunde, schmackhafte und raffinierte Küche auf hohem Niveau schmeichelt meinen Gaumen. Es ist viele Tage her, dass ich so fein gegessen habe. Obwohl ich jeden Abend alleine am Tisch sitze, fühlt es sich sehr familiär an. Außerdem ist es soweit ab vom Schuss, dass ich das kleine Restaurant gerne nutze. Davon abgesehen würde ich es nicht wagen, in der Dunkelheit den etwa 20-minütigen Weg von der Straße beziehungsweise dem Carpark zum Hauptgebäude zu gehen.

Die nächsten Tage stehen ganz im Zeichen von Ruhen. Ein bisschen Yoga, ein bisschen Massage, ein bisschen Schreiben, und ganz viel schlafen. Es lässt sich auch schwer etwas unternehmen, sobald es dunkel wird. Der Weg zu Duschen und Toiletten ohne Tageslicht ist Abenteuer genug. Auch wenn der Ort magisch ist, und ich den Aufenthalt sehr faszinierend fand: Im nächsten Hostel genieße ich den „Luxus“ eines Bads in der Nähe meines Zimmers schon sehr!