Mehr als 15.000 Schritte und ich bin so was von inspiriert! Der Grund: eine Citytour! Christchurch erhebt sich gerade wie Phoenix aus der Asche. Die älteste Stadt Neuseelands, aufs Schwerste erschüttert von diversen Erdbeben 2010 und 2011, entsteht derzeit an vielen Ecken und Enden neu. Ein Bauboom sondergleichen! Überall im Zentrum brummt und summt es. Schweres Gerät ist im Einsatz, das Stadtbild prägen Bauarbeiter in gelben und orangenen Westen.

Dazwischen lässt sich der unerschütterliche Wille seiner Bewohner spüren, aus etwas Kleinem etwas ganz Großes zu machen. Mich erinnert vieles an Berlin nach der Wiedervereinigung. Die versteckten Ecken mit Trucks, die Bier und Pommes verkaufen, gleich gegenüber von Containern und eingerüsteten Gebäuden. Ein paar Stühle, ein paar Holzbänke, ein paar Schirme, ein paar Heizpilze – fertig ist die lässige Wohlfühlatmosphäre, beispielsweise im „Smash Palace“ an der 172 High Street.

Mein Rundgang beginnt am Hagley Park und der Tourist-Info (i-Site). Hier gibt es in jedem Ort Neuseelands nicht nur super Tipps, sondern auch meistens kostenfreies WiFi. Die Stadt lässt sich wunderbar zu Fuß entdecken, die Angebote für kostenpflichtige Führungen oder Fahrten mit Bus oder Tram schlage ich aus. Das erste Gebäude, das mir auffällt, ist das Arts Centre. Dieses wird unter dem Motto „Restoring memories, creating futures“ umfangreich renoviert – bis zum Jahre 2019.

Über den Avon River geht’s zur Kathedrale. Ihr nicht mehr vorhandener Turm und das geschundene Eingangsportal, gestützt von Stahlträgern, sind ein faszinierender Anblick. Rundherum versperrt ein mit bunten Blumen und farbigen Ornamenten gestalteter Bauzaun den Zutritt.

Ich kann mich gar nicht sattsehen an den Kontrasten. Neben alt ehrwürdigen Häusern entstehen modernste Gebäude – die einen spiegeln sich in den Fronten der anderen. Löcher in Bauzäunen offenbaren die Wunden, die die Beben dieser Stadt zugefügt haben. 10.000 Gebäude wurden dem Erdboden gleich gemacht. Ich glaube es, denn überall tun sich Lücken und Brachflächen auf, dort parken derzeit Autos. Mehr als 70.000 Einwohner verließen kurz nach der Katastrophe ihre Heimat. Unzählige Graffiti erzählen die Geschichte – das „Haus im Kopf“ nimmt mich gefangen.

Auch fünf Jahre nach dem schweren Erdbeben stehen viele Gebäude im Zentrum leer, die Fenster und Eingänge sind mit Holzplatten vernagelt. Gesamte Straßenzüge warten auf ein neues Leben. Die gespenstische Atmosphäre zieht mich in ihren Bann – vor allem zur blauen Stunde…

Die New Regent Street zeigt hingegen fast wieder ihr ursprüngliches Gesicht im spanischen Missions-Stil. Gebaut in den 1930er-Jahren bietet sie jetzt wieder eine bunte Auswahl an Boutiquen und Cafés. Ihre Wiedereröffnung im April 2013 feierten die Einwohner von Christchurch mit einem Fest.

Das beste aus der Situation zu machen, davon erzählt die „Re:START City Mall“: ein Mini-Einkaufszentrum mit Cafés, Foodtrucks und Shops, gebaut aus bunten Schiffscontainern.

Urplötzlich hört das Brummen und Summen der schweren Maschinen auf, und unzählige Bauarbeiter treten ihren Heimweg an. Es ist 17 Uhr, Christchurch kommt zur Ruhe. Der Vogel breitet bereits jetzt seine Schwingen aus: In Ansätzen lässt sich erahnen, wo der Flug hingehen soll. In zehn Jahren soll die Christchurch laut einem Einheimischen eine der modernsten Städte der Welt sein. Vermutlich zu Recht!