Ich habe sie gesehen! Die Pipeline! An der North Shore von Oah’u bricht die berühmteste Welle der Welt. Sie heißt so, weil sie hohl ist wie eine Röhre. Hier rauschen die Wellen nicht gemächlich heran, hier knallen sie wie Donnerschläge auf den goldfarbenen Strand. Einmal durch die Pipeline zu rasen, das soll der Traum eines jeden Surfers sein. Und wer es geschafft hat, der will diesen Rausch immer wieder erleben.

Für die farbenprächtige Landschaft haben die Beachboys keinen Blick übrig, sie konzentrieren sich nur auf den nächsten Ritt. Dabei verzaubert die hawaiianische Insel Oah’u mit einer unglaublichen Naturpracht. An allen Ecken und Enden blüht und grünt es. Kein Wunder, hin und wieder prasselt ein tropischer Regenschauer wie aus dem Nichts herunter.

Über nebelverhangene Berghügel vorbei an gigantischen Baumriesen geht es mitten durch Oah’u hindurch. Am Pali Lookout in Nu’uanu begrüßen uns heulende Winde. Die Szenerie mutet gespenstisch an. Als würden die Seelen der Verstorbenen noch herumwandern: Bei einer Schlacht 1795 starben hier mehrere hundert Soldaten, sie fielen über die Klippen. Allerdings ist der Ausblick von dem 360 Meter hohen Bergrücken auf Koolau und die Windward Coast atemberaubend.

Mit dem Auto kutschiert uns Niki vorbei an der historischen Stadt Haleiwa weiter zur berühmt-berüchtigten Pipeline an der North Shore. Kleine, bunte Holzhäuser säumen den Weg, bis sich plötzlich der Blick auf den Strand öffnet. Da eben erst ein Gewitter wütete, ist alles menschenleer. Ein paar Surfer warten in ihren Pickups, dass es aufklart. Oder vielleicht auch, dass die meterhohen Wellen weniger werden. Die Brandung flößt mir alleine aus der Entfernung Respekt ein. Unvorstellbar sich hier ins Wasser zu begeben. Auch wenn es warm ist, an Baden oder gar Schwimmen ist nicht zu denken.

Auch am nächsten Strand, dem Waimea Beach, erwarten uns wieder gigantische Wellen. Bis zu sechs Meter hoch türmen sie sich hier auf. Nur die geübten Surfer wagen sich dann aufs Brett. Wieder ist wenig los, der Regen hat noch nicht aufgehört, nur ein paar Waghalsige tummeln sich im Wasser.

Lieber legen wir einen Stop an einem der vielen Imbisswagen ein, bei Fumi’s Shrimp Truck in Kahuku. Die Auswahl ist groß… Auf Holzbänken genießen wir die Meerestiere, mit Lemon-Pepper, Spicy Garlic und Coconut. So frisch schmecken sie einfach am besten.

Auf der zweispurigen Straße, dem Kamehameha Highway, geht es weiter entlang der Küste zu einer windgeschützten Bucht: Während Waikiki sehr touristisch anmutet, geht es hier in Kailua ruhig und lässig zu. Typisch hawaiianisch halt. Niemand trägt mehr als ein T-Shirt, Shorts und Flipflops. Ich gewöhne mich langsam an den inseltypischen Dresscode.

Wir machen einen Abstecher in die exklusive Enklave Lanakai – die Straße führt einmal im Kreis an den schönsten Villen der Insel vorbei. Die für Normalsterbliche unbezahlbaren Häuser sollen bis zu 35 Millionen US-Dollar kosten! Wir nähern uns langsam aber sicher Honolulu. Plötzlich zeigt Niki nach links – in dieser Straße sei Barack Obama aufgewachsen.

Mittlerweile befinde ich mich auch fast in einer Art Rausch. Egal wohin das Auge blickt, alles strotzt vor satten Farben. Häuser, Meer, Strand, Schilder – nichts hier auf Oah’u ist farblos. Der Regen hat aufgehört, und die Sonne taucht Honolulu in ein sanftes Licht. Für ein paar Minuten bestimmen pastellige Farben die Szenerie. Doch dieser Moment ist schnell vorüber, denn dann beginnt das Nightlife in Honolulu. Und die Frauen tragen bunte Kleider und die Männer knallige Hawaiihemden – der (Farben-)Rausch geht weiter…

© Niki Pestel, Uschi Horner