Heute heißt es früh aufstehen, denn mich erwartet der Berg Uritorco. Er soll ein Kraftort sein, der seinesgleichen sucht. Viele Geschichten ranken sich um den rund 2000 Meter hohen Berg in den Sierras Chicas, etwa 100 Kilometer von Córdoba (Argentinien) entfernt. Wanderer wollen während des Aufstiegs bereits Ufos gesichtet haben…

Die Gegend ist bei Hippies und Aussteigern äußerst beliebt. Die Auslagen der Geschäfte in Capilla del Monte sprechen für sich. Grüne Aliens, handgemachte Traumfänger und allerlei Räucherwerk warten neben den üblichen touristischen Souvenirs wie Matebecher und Lederaccessoires auf kauffreudige Kundschaft. Auf dem Weg zum Basislager „La Toma“ zeigt sich erneut die illustre Einwohnerschaft. Von entspannenden Massage über spirituelle Sitzungen bis hin zu ausgefallenem Kunsthandwerk – die Schilder am Rand der sandigen Piste versprechen interessante Eindrücke.

Rund einen Kilometer vor dem Basislager kontrolliert Marcello an diesem Tag, ob ich die richtigen Schuhe und genügend Trinkwasser dabei habe. Ob er es Ernst meint, oder nur ein bisschen ratschen will, weiß ich nicht. Ich tue ihm den Gefallen. Immerhin bewacht er den Zugang zum Uritorco. In der Sprache der Quechua bedeutet „orcko“ frei übersetzt Macho. Der Ausgangspunkt zu diesem mystischen Berg liegt bei etwa 980 Höhenmetern. Insgesamt sind 1000 Höhenmeter auf einer Strecke von fünf Kilometern zu erklimmen (Karte entnommen aus dem Buch „Guía de Turismo Alternativo“ von Jorge González).

Der Wind peitscht über die Sandstraße und ein paar Regentropfen lassen sich auf der Autoscheibe erkennen. Noch mache ich mir keine Gedanken über das Wetter, auch wenn sich der Gipfel komplett nebelverhangen präsentiert. Auf dem Parkplatz wundere ich mich ein bisschen, dass kein anderes Auto zu sehen ist. Aber meine erste Reaktion ist Freude, denn dann habe ich diesen magischen Ort für mich alleine. Viel Platz bietet sich oben nämlich nicht, dafür ist die Aussicht spektakulär.

Ein paar gepflasterte Steinstufen führen hinunter ins Flussbett. Über eine wackelige Hängebrücke, die höchstens fünf Personen auf einmal betreten dürfen, geht es über den Río Calabalumba. Ich steige die Stufen zum Eingang hinauf, und werde empfangen mit den Worten: „Der Berg ist geschlossen.“ Völlig verdattert frage ich nach, warum, und überhaupt. Es sei zu gefährlich, der Wind zu stark, außerdem würde es weiter oben bereits regnen. Kurz überlege ich, mich irgendwie an dem Mann vorbei zu mogeln, ich hatte mich so sehr auf den Uritorco gefreut… Aber was soll ich sagen, die Vernunft hat gesiegt. Denn wie in den bayerischen Bergen kann das Wetter hier sehr schnell umschlagen. Und ich dachte mir, die Jungs werden ihre Gründe haben, warum sie den Aufstieg verweigern.

Allerdings muss ich zugeben, dass ich kurz etwas beleidigt war: Der Macho-Berg hatte sich mit dem Wettergott gegen mich verschworen. Vielleicht hätte ich die vergangenen Tage ein paar nächtliche Gespräche weniger über Machos in Argentinien und Deutschland führen sollen…